"Ich verstehe mich als
Dienstleister für meine Autoren" sagt Wolfgang Schillinger und offenbart
mit diesem Bekenntnis ein zentrales Element seiner Verleger-Philosophie. Er
weiß von den Ärgernissen, die Autoren mit jenen Lektoraten haben, die nicht
bereit sind, die Texte so zu akzeptieren, wie sie vorgelegt werden. Hier sind
nicht gemeint stilistische Verbesserungen oder die Fehlerkorrekturen. Nein,
es geht um die Botschaften, die ein Autor vermitteln will und die er auf
seine eigenartige, eigentümliche Weise an die Leserinnen und Leser
herantragen möchte. Und genau bei diesem Bestreben hilft Wolfgang Schillinger
durch "Nichteinmischung".
Nehmen wir das Beispiel der Salpeterergeschichte
von Dr. Emil Müller-Ettikon aus dem Jahre 1973. Dr. Müller schrieb im Februar
1978 Herrn Schillinger einen Brief und bot ihm dieses Buch an. Herr
Schillinger, neugierig geworden, fuhr nach Ettikon bei Waldshut in die
"Klause" von Dr. Müller und sprach mit ihm. Autor und Buchinhalt
beeindruckten Wolfgang Schillinger und er erklärte sich bereit, dieses Buch,
das Dr. Müller als sein "Hauptwerk" betrachtete, in sein Programm
aufzunehmen. Am Text veränderte Herr Schillinger nichts. "Der steht
allein in der Verantwortung des Autors", so seine Überzeugung.
Herr Schillinger ist mehrmals nach Ettikon gefahren. Herr Dr. Müller war nie
bei ihm in Freiburg gewesen. Auch das eine weiteres Element dieser
Verlegerphilosophie: Nicht der Autor muss vorsprechen, "antanzen"
sozusagen. Auch der Verleger geht zu ihm, lernt ihn in seiner Umgebung kennen
und schätzen. Auf diese Weise gewinnt Herr Schillinger den Eindruck der
"Stimmigkeit", so würde ich es in einem Begriff zu fassen suchen
und erläutern, mit dem Hinweis auf die Übereinstimmung von Persönlichkeit
eines Autors, seines Textes und seiner Botschaft. Wenn die damit
angesprochenen Elemente eines Konzepts übereinstimmen, dann kann auch damit
gerechnet werden, dass dereinst das Buch seine Leserinnen und Leser findet.
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Freilich reichen diese
Voraussetzungen nicht aus. Sind sie aber gegeben, dann braucht es die anderen
gleichwertigen Schritte, die einem möglichen literarischen Erfolg vorangehen,
wie Gestaltung, Druck, Bindung und der Vertrieb eines Buches. Und jeden
dieser Schritte betrachtet Wolfgang Schillinger als Teile seiner
Verantwortung in seiner Rolle als Verleger.
Als Verleger? Was hat ein
Verleger mit der Buchherstellung im engeren Sinne zu tun?
Für Wolfgang Schiller sind Antworten auf diese Frage, so mein Eindruck, eine
Sache der beruflichen Ehre. Er sagt selbst, dass er bei der Herstellung eines
Buches den Druckern über die Schulter schaut. Da hat er einige gute und ihm
vertraute Druckereinen in Freiburg, denen er die Manuskripte und Bilder
anvertraut und wo er, - und das ist ihm wichtig, - mit Rat und Tat mitwirken
kann. Hier offenbart sich erneut ein Element seines Selbstverständnisses als
Verleger: er fühlt sich mitverantwortlich. Gerade seine große Kompetenz in
Bezug auf die Buchgestaltung und den Druck von Bildern, von Farbbildern ganz
besonders, ermöglichen ihm, fördern und unterstützend mitzuarbeiten.
Damals, als noch in den Jahren
des Wirtschaftswunders die Druckerei unter der Führung von Hermann und Karl
Schillinger blühte, hatte der Betrieb unter vielem anderem auch Kataloge für
die Firma "WehraTeppiche" herzustellen.
Der Druck dieser Kataloge stellte an die Farbwiedergabe besonders hohe
Anforderungen, denen sich Wolfgang Schillinger gern stellte. Diese
Erfahrungen waren es, die ihn dazu anregten, Farbbildbände zu produzieren und
zwar in seinem eigenen Verlag.
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Doch am Anfang stand der
Druck. Und das gilt auch für die Firmengeschichte. "Karl
Schillinger" heißt der Verlag noch heute nach dem Betriebsgründer, der
1899 mit einer Druckerei begann, die bis 1989 betrieben wurde. Karl, der
Großvater von Wolfgang Schillinger, fiel 1917 vor Verdun. Seine Söhne Karl
und Hermann, die das Schriftsetzerhandwerk bei
ihrem Vater erlernt hatten, führten die Druckerei weiter. Karl starb 1962 und
Hermann schied 1978 aus. Wolfgang, sein ältester Sohn, der ebenfalls im
eigenen Betrieb den Beruf des Schriftsetzers erlernte, war bereits 1962
wieder nach Freiburg zurückgekehrt und arbeitete in der Druckerei mit.
Nach Beendigung seiner Lehrzeit 1955 und ersten Praxisjahren in Stuttgart,
damals eine Hochburg der Buchproduktion in Deutschland, hatte er von 1956 bis
1959 an der Akademie für das graphische Gewerbe in München studiert dort die
Meisterprüfung abgelegt und mit dem Abschlussdiplom (heute vergleichbar mit
einem Diplomingenieur in dieser Studienrichtung) das Studium beendet. Dann
war er gleichsam "auf Wanderschaft" gegangen und hatte
Berufserfahrungen in unterschiedlichen Aufgabenbereichen gesammelt. So war er
in Aschaffenburg technischer Betriebsleiter und in Düsseldorf Vertriebsleiter
in Druckereien.
Die Fülle seiner Erfahrungen,
die er in das eigene Unternehmen mit zurückbrachte, trugen das ihre dazu bei,
die Druckerei Schillinger zur qualitativ führenden Druckerei in Südbaden
werden zu lassen. Wolfgang Schillingers Leistungen
wurden auch von seinen Berufsgenossen dadurch gewürdigt, dass sie ihn in den
Hauptvorstand und in das Präsidium des Bundesverbandes Druck wählten. Sowohl
die dadurch entstehenden Verbindungen zum Verlagswesen als auch seine
Stuttgarter Zeit, er wirkte dort mit an der Herstellung von Büchern bekannter
Verlage wie Insel und anderen, regten ihn dazu an, selbst später einmal
verlegerisch tätig zu werden.
Die Herausforderung, gleichsam
zur Hälfte geistige Arbeit und zur anderen Hälfte handwerklich-praktische
Arbeit leisten zu können, ein weiteres Charakteristikum verlegerischen
Wirkens für Wolfgang Schillinger, reizte ihn.
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Dass er mit diesem Entschluss,
den er 1971 in die Tat umsetzte, die Arbeit seines Großvaters fortsetzte,
gehört zur Firmengeschichte. Großvater Karl Schillinger hatte 1908 bereits
den Schillinger-Verlag aus der Taufe gehoben. Wenn Karl Schillinger die
Verlagstätigkeit auch bereits 1914 wegen kriegsbedingter Einschränkungen
einstellen musste, so hatte er sich doch in diesen sechs Jahren mit der
Herausgabe von Zeitschriften bereits einen Namen gemacht. Die
"Stadion-Zeitung" vom FC Freiburg gehörte zu seinen verlegerischen
Aktivitäten wie auch die "Süddeutsche Sportzeitung" oder die
"Schmiede und Wagenbauer Zeitschrift". Mit der letztgenannten
begleitete er publizistisch den Übergang von der Pferdekutsche zur
Motorkutsche, also dem Automobil.
Im Grunde nahm Wolfgang
Schillinger die Tradition des Großvaters wieder auf. Nur waren es diesmal
Bücher, und zwar Bildbände, mit denen er die Verlagstätigkeit begann, bis er
1984 den Druckereibetrieb aufgab und sich seither ausschließlich seinem
Verlag widmet.
Das tat er nicht allein. Ihm zur Seite stand und steht seine Frau Helga, die
mit ihren handwerklich-künstlerischen Erfahrungen aus ihrem Beruf als
Modedesignerin wertvolle Anregungen geben konnte, wenn es um die Gestaltung
der vielen Bildbände ging, die seither im Schillingerverlag
herausgegeben wurden.
Obwohl Wolfgang Schillinger
inzwischen das achtzigste Lebensjahr vollendet hat, wird er seine
verlegerische Tätigkeit fortsetzen. Noch immer treffen ihn seine
Besucherinnen und Besucher in seinem kleinen Lädele
in der Wallstraße 14 an und erhalten dort nicht nur die Bücher, sondern auch
Antworten auf alle Fragen, die seine verlegerische Arbeit betreffen. Soweit
es seine Gesundheit erlaubt, möchte er seiner Arbeit noch wenigstens fünf
Jahre treu bleiben erklärte er mir.
Bereits mit den ersten Titeln
des wieder aufgelebten Karl Schillinger Verlages stellte sich Erfolg ein. Zu
ihnen gehörten die mit Frau Dr. Ingeborg Krummer-Schroth gestalteten
Bildbände über Freiburg oder das Buch "Geliebte kleine Stadt" aus
dem Jahre 1971. Leif Geiges und andere wirkten an
der Gestaltung dieses "Bestsellers" mit. Sehr hohe Auflagen
erreichten die Bücher "Oberrheinisches Mosaik" und einige andere
der vielen hundert erschienen Veröffentlichungen. Einige von ihnen erhielten
Auszeichnungen für ihre Ausstattungen von überregionalen und nationalen
Gremien.
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Wer heute das Verlagsangebot,
das zur Zeit 157 Titel umfasst, aufmerksam durchsieht (www. schillingerverlag.de),
der wird dort zwei Bücher von Hubert Matt-Willmatt finden.
Und schauen wir auf die Links dieser Homepage, dann stoßen wir ebenfalls auf
Hubert Matt-Willmatt und lesen dort unter anderem,
dass er sich zu den Salpeterern unserer Tage rechnet. Und da sind nun gleich
drei im Verlagsverzeichnis und auf dieser Salpeterer Homepage beieinander:
Der Salpeterer-Autor Dr. Emil Müller-Ettikon,
der Salpeterer-Autor Hubert Matt Willmatt
und - last but not least -
der Salpeterer- Autor Thomas Lehner. Dessen Schrift erschien zunächst im
Wagenbach-Verlag. Inzwischen aber hat Wolfgang Schillinger die Verlagsrechte
erworben und das kleine Büchlein von Thomas Lehner bereits zweimal neu
auflegen können.
Gewiss: das sind nur drei
Autoren dieses Verlages von mehr als hundert. Doch mit den Salpeterern aus
Geschichte und Gegenwart und mit dem Hotzenwald ist dieser Verlag verbunden.
Das zeigt allein der Kultur- und Naturführer "Im Hotzenwald" von
Wolfgang Hug, in dem den Salpeterern ebenfalls ein Kapitel gewidmet ist.
Und wenn die unruhigen Leute
aus dem Hotzenwald der vergangenen drei Jahrhunderte mit ihren Anliegen
lebendig blieben, dann verdanken sie das der - zwar nicht widerständigen - ,
wohl aber sehr eigenwilligen, originellen und ebenso engagierten wie
kompetenten Freiburger Verlegerpersönlichkeit Wolfgang Schillinger.
Dr.
Joachim Rumpf
Februar 2006
Oktober 2014
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